Was zahlt der Nutzer, was die Allgemeinheit?

Studie ÖV SBB Lab HSGImmer mehr Menschen in der Schweiz fahren Bahn, Bus oder Tram. Der Ausbau des Verkehrsnetzes treibt die Kosten in die Höhe. Wer soll diese künftigen Mehrkosten übernehmen: Bahnfahrer oder Staat? Dieser Frage ging das SBB Lab am Institut für Systemisches Management und Public Governance IMP-HSG nach (zum Download der Studie ).

Eine breit angelegte repräsentative Befragung der Schweizer Wohnbevölkerung (zwischen 24. Juni und 5. Juli mit 2‘000 Probanden) zeigt, dass der gewünschte staatliche Subventionsbeitrag bei rund 50 Prozent, und damit nahe am heutigen Kostenteiler liegt. Knapp mehr als die Hälfte der Befragten wäre bereit, Zusatzkosten für einen weiter ausgebauten öffentlichen Verkehr zu tragen.

Diese Einschätzung ist von mehreren Faktoren abhängig. Personen ohne Abonnement ziehen eher eine Finanzierung durch die Nutzer vor. Personen mit Abonnement sprechen sich eher für eine Finanzierung durch die Allgemeinheit aus. Dies gilt unabhängig davon, wer dieses Abo bezahlt (selbst oder beispielsweise Arbeitgeber). Unterschiede zeigen sich auch in Sachen Beruf: Personen in Ausbildung und Personen ohne Arbeitseinkommen, beispielsweise Pensionierte, neigen zu einer Finanzierung durch die Allgemeinheit. Selbständig Erwerbende oder auch Personen des mittleren und oberen Managements bevorzugen eine Finanzierung durch die Nutzer. Alleinige Nutzerfinanzierung oder alleinige Finanzierung durch die Allgemeinheit sind unpopuläre Positionen. Die Mehrheit der Befragten will einen adäquaten Beitrag zum öffentlichen Verkehr beisteuern.

Konsens über gerechte Verteilung der Mehrkosten
Steuererhöhungen zur Finanzierung von Mehrkosten durch die Allgemeinheit sind wenig populär. Vielmehr würde eine grosse Mehrheit der Befragten hierzu lieber in anderen Bereichen sparen: Bei Landesverteidigung, Beziehungen zum Ausland und – unter Einschränkungen – bei der sozialen Wohlfahrt; nicht aber beispielsweise bei der Bildung. Bestünde keine Alternative zu Steuererhöhungen, sprächen sich mehr Befragte dafür aus, die Nutzer bezahlen zu lassen. Die unmittelbare Spürbarkeit der steuerlichen Mehrkosten lässt die Finanzierung durch die Allgemeinheit offensichtlich weniger attraktiv erscheinen. Dennoch sind auch in diesem Fall Extrempositionen sehr selten. Es besteht Konsens, dass auch unter solchen eher härteren Annahmen steuerlicher Mehrbelastung beide Seiten zur Deckung der Kosten beitragen müssen, wenn auch etwas mehr zu Lasten der Nutzer.

Zukünftige Fahrtkosten weniger gut kalkulier- und planbar als Steuern
Man würde nun erwarten, dass Personen mit hohen Einkommen eher für eine Finanzierung durch die Nutzer plädieren, da sie aufgrund der Progression höhere Steuern bezahlen und von einer Finanzierung durch die Allgemeinheit eher betroffen wären. Dies trifft nur eingeschränkt zu bzw. der Zusammenhang ist nur schwach ausgeprägt. Der Grund liegt darin, dass viele dieser Personen auch im Besitz eines Abonnements sind und damit von einer Finanzierung durch die Allgemeinheit unmittelbar profitieren. So lässt sich denn auch bei vielen Befragten feststellen, dass die Summe ihrer derzeitigen Mobilitätskosten und zukünftigen Steuern über dem persönlich möglichen Minimum liegt: In der Festlegung des Mixes zwischen Nutzer- und öffentlicher Finanzierung wählen sie lieber – auch für sich selbst – höhere Steuern als unbedingt notwendig, um den finanziellen Spielraum für potentielle zukünftige Mehrfahrten für Freizeit oder Arbeitsplatzwechsel zu haben. Die Höhe der Steuern ist sicher. Mehrkosten durch zukünftige Mehrfahrten dagegen nicht.

Zitation: Laesser, Christian ; Reinhold, Stephan: Finanzierung des OeV in der Schweiz: Was zahlt der Nutzer, was die Allgemeinheit?. Schriftenreihe SBB Lab. St. Gallen : SBB Lab, 2013.

[Kurzfassung zur Studie. Die Studie wurde ursprünglich im HSG Mediacorner vorgestellt – rl]

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